"Ich bin gerne an die Grenzen gegangen"

  14.12.2020    Kreis Hofgeismar Presse
Marion Horey war Hessens beste Nachwuchs-Speerwerferin

Hofgeismar - Mit Marion Horey hatte die LG Reinhardswald/TSG Hofgeismar in den 80er Jahren die beste Nachwuchs-Speerwerferin Hessens in ihren Reihen. Horey gewann fünf Hessische Meistertitel von den Schülerinnen B bis zur weiblichen Jugend A. Als vielseitig talentierte Athletin glänzte sie aber nicht nur in der Leichtathletik, sondern war auch im Handball erfolgreich.

Erste Berührungspunkte mit der Leichtathletik ergaben sich für Horey im Schulsport. „Da ich seit meinem siebten Lebensjahr Handball spielte, waren die Lehrer der Meinung, dass auch die Leichtathletik etwas für mich sein könnte“. Das bestätigte sich. Horey überzeugte gleich beim Regionalentscheid „Jugend trainiert für Olympia“ mit 50 Metern im Ballweitwurf. 1979 wurde aus den Schulmannschaften der Gustav-Heinemann-Schule Hofgeismar und der Freiherr-vom-Stein-Schule Immenhausen ein Vereinsteam der LGR gebildet. Dieses gewann prompt den Titel beim Hessischen Endkampf der Deutschen Schülermannschaftsmeisterschaft in Wolfhagen. 1980 begann Horey mit dem regelmäßigen Vereinstraining in der Leichtathletik und lernte bei Rudi Steinbrecher die Technik des Speerwerfens. „Er hat mich bis zum Ende meiner Leichtathletiklaufbahn begleitet“. Sie erreichte anfangs aber nur eine Weite von 27 Metern.

„Die Wurfdisziplinen machten mir am meisten Spaß. Die technischen Abläufe des Speerwerfens und das Automatisieren der Technik gefielen mir sehr.“ Beim Laufen auf Zeit hingegen musste Steinbrecher „tricksen“. „Der Kurzsprint von Tor zu Tor mit Ball war kein Problem, aber ich habe es gehasst, wenn er mich erst kurz vor dem Start informiert hat, dass ich auch zum 800-Meter-Lauf angemeldet war und mir die Spikes in die Hand drückte. Natürlich wusste er genau, dass das die einzige Möglichkeit war mich zu dem Lauf zu bewegen“.

Ihren ersten großen Einzelerfolg feierte Horey 1981 mit dem Titelgewinn bei den Hessischen Schülermeisterschaften. Augenfällig war die gute Technik, die sie zur Bezirksrekordweite von 36,93 Metern brachte. Noch besser lief es ein Jahr später beim Heimspiel im Angerstadion. Mit 40,10 Metern wurde sie Hessische B-Jugendmeisterin.

Leichtathletik und Handball unter einen Hut zu bringen war nicht immer einfach. Hofgeismar hatte eine starke Handball-Mädchenmannschaft, die auf Landesebene spielte. „Manchmal kam es vor, dass ich von meinem Handballtrainer, Wolfgang Hofacker, vom Leichtathletikwettkampf abgeholt wurde, weil fast zeitgleich ein Handballspiel lief. Bei den Hessenmeisterschaften in Hofgeismar war das Handballspiel in der Kreissporthalle gegenüber. Ich wäre am liebsten noch vor der Siegerehrung gegangen, um den Spielbeginn nicht zu verpassen. Grundsätzlich kam das Speerwurftraining aber sicher auch dem Handballspiel zugute.“

Horey mochte besonders Zirkel- und Reaktionstraining. „Da konnte ich mich so schön auspowern. Ich bin gerne an meine Grenzen gegangen, man musste mich nicht besonders antreiben. Viel Spaß hatte ich, wenn ich mit meiner Handballkollegin Christiane Menke (jetzt Weber) auf Leichtathletikwettkämpfen war. Wir nahmen alles nicht so Ernst, zumindest nicht, bis zum Wettkampf aufgerufen wurde.“ An das Duo Horey/Menke kann sich auch Steinbrecher gut erinnern. „Bei einem Regionalentscheid in Hofgeismar schien die Ahnatalschule erstmals vor einem Sieg gegen die GHS zu stehen. Aber in den letzten Disziplinen wendeten Marion und Christiane das Blatt: Marion warf 60 Meter mit dem 200-Gramm-Ball und stieß die Kugel elf Meter weit. Christiane schaffte 50 und neun Meter.“

Horeys besonderes Leistungsvermögen wurde damals neben Steinbrecher durch Uwe Haberzettel gefördert, der auch schon Wolfgang Seidel zur Bronzemedaille bei den Deutschen Schülermeisterschaften geführt hatte (wir berichteten).

Bei den Hessischen A-Jugendmeisterschaften 1983 besiegte Horey mit 43,90 Metern sensationell die favorisierte 48-Meter-Werferin Bettina Beinhauer vom ASC Darmstadt. Im geschlagenen Feld war auch die spätere Dritte der Hallenweltmeisterschaften im Fünfkampf, Birgit Clarius (damals MTV Gießen). Bei der B-Jugend wurde sie ihrer Favoritenrolle gerecht und verteidigte mit 43,32 Metern ihren Titel.

Trotz aller Erfolge ging es Horey nie um Siege und Platzierungen. „ Der Spaß am Sport stand im Vordergrund. Ich hatte nicht den Ehrgeiz einen bestimmten Titel zu erlangen, sondern ich wollte meine eigenen Bestmarken steigern. Als Teamplayer war mein Konkurrenzdenken nicht besonders ausgeprägt. Das erklärt vielleicht, warum ich völlig unvorbereitet aus dem Familienurlaub kam und zu den Deutschen Meisterschaften nach Dortmund fuhr, um dann beim Speerwurf kläglich zu scheitern.“

Bedauerlich aus Sicht von Rudi Steinbrecher war, dass diese Deutsche Meisterschaft auch der Sichtungswettkampf für die DLV C-Kadernomierung war. „Sie konnte ihr wahres Leistungsvermögen nicht zeigen und wurde nicht berufen“.

1984 rückte wieder der Handballsport in den Vordergrund. „Ich wechselte von der TSG Hofgeismar zum TSV Heisebeck. Wir verpassten 1985 den Aufstieg in die Bundesliga nur um einen Punkt. Mit 21 entschied ich mich, auch den Handballsport an den Nagel zu hängen. Ausschlaggebend waren sowohl berufliche Gründe als auch körperliche Beschwerden nach einem Kreuzbandriss.“

Durch die Polizeiausbildung war Sport aber weiter ein großes Thema, so wurde sie 1989 Hessische Polizeimeisterin im Kugelstoß. Und das Talent zwar schlummert, aber nicht vergeht, zeigte sich im Jahr 2000. „Nach dem Umzug nach Papenburg habe ich nach langer Pause wieder am Leichtathletiktraining teilgenommen. Ich war gespannt, wie sich der 1999 geänderte Speer mit dem nach vorn verlagerten Schwerpunkt im Vergleich zum alten verhält“. Horey kam auch mit dem neuen Gerät bestens zurecht und wurde Emslandmeisterin. 2001 stellte sie mit 38,93 Metern den bis heute gültigen Emslandrekord auf.

Auch später hatte Horey immer wieder Phasen intensiver sportlicher Betätigung. „Vom Jogging über Fitnessboxen, Tai Chi, Schwimmen und Krafttraining war alles dabei. Zur Zeit fahre ich gerne Fahrrad, mache ausgedehnte Spaziergänge mit meinem Hund und genieße die Natur“. Aus der aktuellen Athletengeneration ist Alice Ekenberger (VfL Wolfhagen) die aussichtsreichste Kandidatin Horey einige Rekorde abzunehmen. Im Diskus ist die 15-Jährige in diesem Jahr bei 29,91 Metern angekommen, Horeys W16-Bestmarke liegt bei 30,24 Metern.

 

Zur Person Marion Horey (53) wurde in Hofgeismar geboren und ist dort aufgewachsen. Nach dem Realschulabschluss an der Gustav-Heinemann-Schule machte sie eine Ausbildung bei der Stadtverwaltung in Hofgeismar. Im Anschluss daran ging sie zur Hessischen Polizei und arbeitete bis zur Schwangerschaft mit der ersten ihrer zwei Töchter bei der Bereitschaftspolizei in Hanau. Nach der Elternzeit und dem Umzug nach Niedersachsen schied sie aus dem Polizeidienst aus. Seit 14 Jahren ist sie jetzt im Verwaltungsbereich einer Versicherungsagentur in Papenburg beschäftigt. Seit einem Jahr ist sie Großmutter und geht in der „Omarolle“ voll auf. „Ich bin ein Familienmensch, das macht mir Riesenspaß“. Horeys Vater Peter „Pit“ Horey spielte Feldhandball beim Bundesligisten SVH Kassel und stieß als Jugendlicher im Schulsport über zwölf Meter Kugel. Auch ihre zwei Brüder waren in Leichtathletik und Handball erfolgreich, Carsten ist Kreisrekordler mit der 6,25-Kilogramm-Kugel der männlichen Jugend M18. (zah)

 

Ewige Bestenliste HLV-Kreis Hofgeismar
(s. auch https://hofgeismar.hlv.de/fileadmin/kreise/hofgeismar/Extras/Rekordlisten/EwigeBestenliste.pdf)

Kugelstoß (4kg)

13,45 Meter Vanessa Grimm (Frauen, 21. Januar 2017)
12,31 Meter Marion Horey (Frauen, 24. Juni 1989)
11,10 Meter Cynthia Träger (W16, 29. Mai 2001)
10,84 Meter Kerstin Kroll (W18, 8. Mai 1991)
10,77 Meter Ilona Homburg (W16, 14. Juni 1980)
10,54 Meter Annette Maciossek (Frauen, 24. Mai 1992)
10,50 Meter Leoni Klocke (W16, 18. Mai 1974)
10,45 Meter Birgit Seidel (Frauen, 9. Mai 1981)
10,42 Meter Carmen Bohle (W16, 27. Mai 1986)
10,39 Meter Eva Lang (W15, 10. September 1978)

 

Marion Horeys Kreisrekorde

W17

Kugelstoß (4kg): 10,71 Meter, 14. April 1984 Lohfelden
Diskuswurf (1kg): 30,20 Meter, 14. April 1984 Lohfelden

W16

Kugelstoß (4kg): 11,74 Meter, 9. Juni 1983 Hofgeismar
Diskuswurf (1kg): 30,24 Meter, 18. Mai 1983 Hofgeismar
Speerwurf (600g)*: 43,94 Meter, 19. Juni 1983 Obertshausen

WU16

4-Kampf-Mannschaft mit Feldmeier, Koch, Kepper und Pönack, 9230 Punkte, 09. September 1981 Hofgeismar

W15

Kugelstoß (4kg): 11,34 Meter, 18. August 1982 Hofgeismar

W14

Speerwurf (600g)*: 36,86 Meter, 30. August 1981, Melsungen

W13

Diskuswurf (1kg): 22,84 Meter, 17. September 1980 Hofgeismar

 

*Im Speerwurf wurde 1999 der Schwerpunkt verlagert und 2012 für die U18 das Gewicht von 600 auf 500 Gramm reduziert. Da die Leistungen nicht mehr direkt vergleichbar sind, wurden daher neue Rekorde eingeführt.

 

erstellt von Alexander Humme